von Hanna Singer, Gina John, Helena Vollbrecht
Wie kommunizieren Parteien eigentlich ihre Ziele? Wie reagieren sie auf neue Informationen? Wie passen sie sich an die Kommunikation über Social Media an?
Alles Fragen, die vor allem im Superwahljahr 2021 gestellt werden können.
Während die Grünen an immer mehr Zuspruch gewinnen und Kanzlerkandidat*in der Union oder SPD zu sein nicht mehr den hundertprozentigen Einzug in das Kanzleramt bedeutet, gibt es auch an der Koalitionsfront neue Entwicklungen. Keiner will mit der AfD koalieren und die Linken werden von den Konservativen bereits ausgeschlossen. Allgemein macht sich im Land eine Wechselstimmung breit. Das liegt auch an den Themen, die die Bundestagswahl 2021 prägen. Die Pandemie beeinflusst immer noch unseren Alltag und auch der Klimawandel ist ein Problem, das in der nächsten Legislaturperiode umso wichtiger sein wird. Deshalb haben die Fachschaften der MKW (Medien- und Kommunikationswissenschaften) und der SoPo (Soziologie und Politikwissenschaften) zu einer Podiumsdiskussion eingeladen, die diese und andere Themen aufgegriffen hat. Es wurden zwei Referenten eingeladen: Prof. Dr. Hartmut Wessler und Alexander Wuttke, die unsere Fragen in Vorträgen und anschließender Diskussion beantwortet haben.
Den Einstieg machte Herr Prof. Dr. Wessler, Lehrstuhlinhaber der MKW, mit einer kurzweiligen Präsentation.
Wann reagieren Parteien auf Veröffentlichungen, die ihnen schaden können? Herr Wessler erklärt dies anhand zweier Beispiele; ein gefälschtes Nacktbild und die Behauptung eines Plagiats. Dies sind zwei Veröffentlichungen über die Kanzlerkandidatin der Grünen, Annalena Baerbock. Allerdings wurden beide von der Partei sehr verschieden gehandhabt. Mit dem gefälschten Nacktbild wurde sich lediglich rechtlich auseinandergesetzt. Bei den Anschuldigungen über Ungereimtheiten mit Baerbocks Abschlüssen wurde eine Richtigstellung in Form einer Kopie ihrer Studienabschlüsse veröffentlicht. Warum aber unterscheidet sich der Umgang mit den Vorfällen so stark? Die Anschuldigungen des Plagiats waren schon im Mainstream angekommen und hätten so dem Image der Grünen stark schaden können. Das gefälschte Nacktbild wiederum hatte noch nicht genügend Aufmerksamkeit bekommen, dass es sich für die Partei gelohnt hätte, sich damit auseinander zu setzten.
Ein weiteres Beispiel beschäftigt sich mehr damit, wie Bürger*innen ihre politischen Ansichten kommunizieren. Hierbei kommt es oft zu einer Vermischung von Fakten, Emotionen und der eigenen Meinung. Wesslers Beispiel hierfür ist die Whatsapp-Gruppe der Nachbarn aus einem gutbürgerlichen Dorf. Dort wird zum Beispiel der innerparteiliche Konflikt der Grünen humoristisch via Kurzvideos dargestellt. Es geht hier nicht um Werbung für eine bestimmte Partei. Ganz im Gegenteil: Man ist gemeinsam als Gruppe gegen eine Partei. Diese Form der Kommunikation gab es früher auch schon. Jedoch birgt der Wechsel vom Stammtisch im Dorf zum Kommunizieren über das Internet einige Gefahren. Menschen radikalisieren sich schneller und finden auch öfter Gleichgesinnte, die eine ähnliche Meinung vertreten. Dabei stellt sich die Frage, wie viel Polarisierung und gesellschaftliche Konflikte eine Gesellschaft vertragen kann. Für Wessler ist hierbei der öffentlich-rechtliche Rundfunk die Lösung. Durch die Berichterstattung wird die schnelle Verbreitung des Populismus eingedämmt.
Diese Einschätzung knüpft nahtlos an Herr Wuttkes Vortrag an, welcher sich damit beschäftigt, wie Politiker*innen sich generell positionieren können. Herr Wuttke ist Postdoktorand beim Mannheimer Zentrum für europäische Sozialforschung. In seinem Vortrag war vor allem interessant, wann sich Politiker*innen dafür entscheiden, gewisse Themen in den Vordergrund zu stellen oder ein populistisches Narrativ zu prägen. Während unsere Kanzlerin Angela Merkel als Extrempol bei der antipopulistischen Politik einzuordnen ist, gibt es Hugo Chavez (ehemaliger Präsident Venezuelas), welcher das Gegenbeispiel darstellt. Erschreckenderweise wird oft gesagt, dass wir im Zeitalter des Populismus leben, was auch tatsächlich für einige Länder zutrifft. Andererseits gibt es auch Länder, die bis heute keine stark populistische Politik aufweisen. Trotzdem sollte über die Gestaltung unserer Demokratie gesprochen werden, da ein Diskurs über demokratische Prozesse den Zuspruch zur Demokratie stärkt. Es macht den Menschen klar, was an unserem demokratischen System gut ist und was es schützenswert macht.
Ein spannendes Beispiel Wuttkes hierfür waren durchgeführte Online-Diskussionen von Bürger*innen gemeinsam mit einigen Bundestagsabgeordneten. Hier war das Ziel, Menschen, die generell unzufrieden oder dem demokratischen System kritisch gegenüberstehen, aktiv mit Argumenten von der liberalen Demokratie als bestes politisches Modell zu überzeugen. Tatsächlich waren viele Teilnehmer*innen nach der Diskussion zufriedener gestimmt als die Vergleichsgruppe.
Auch wenn bis jetzt noch keine langfristigen Veränderungen gemessen werden können, zeigt es doch, dass wir zum Teil selbst in der Hand haben, wie unser demokratisches System wahrgenommen wird. Wir müssen also im Wahlkampf über wichtige Themen sprechen und ihn zeitgleich als Möglichkeit sehen, über unsere Demokratie zu diskutieren, um sie zu erhalten. Diese Chance sollten wir auf jeden Fall nutzen.