Teil II
Freitag, 16 Uhr, der Hörsaal SO108 im Mannheimer Schloss ist gut gefüllt, die Aufmerksamkeit nach vorne gerichtet. Das Politiker-Trio, platziert auf einem rot ausgekleideten Podest, ist „breit aufgestellt, mit Linksdrall“, so Moderator Georg Restle, bekannt aus der ARD-Sendung Monitor. Es ist zusammengekommen, um sich einer großen Frage zu stellen: Zerstört soziale Unsicherheit unsere Gesellschaft?
So kommt denn auch Restle ohne Umschweife zum Thema und eröffnet mit Zahlen zur skandalösen Vermögensverteilung in Deutschland: Das reichste Prozent der Familien besitzen knapp ein Drittel des Gesamtvermögens. Lencke Steiner, Familienunternehmerin, bekannt aus der TV-Show „Die Höhle der Löwen“ und Fraktionsvorsitzende der FDP, beginnt mit einer streitbaren These: „Umverteilung heißt Gleichmacherei und bringt nix.“ Die Forderung ihres Gegenspielers Bernd Rixingers, Parteivorsitzender der Linken, nach 5% Reichensteuer ab der zweiten Million quittiert sie mit Kopfschütteln und dekliniert die Kernpositionen ihrer Partei durch: Vermögensbildung zulassen, größere Steuerfreibeträge, Bildungsgerechtigkeit. „Was mich persönlich wahnsinnig aufregt, ist dass Bildungserfolg immer noch so stark vom Elternhaus abhängig ist.“ Doch zunächst zurück zur Vermögensverteilung – der Moderator hat die Diskussion im Griff und will außerdem wissen wie Alexander Schweitzer, SPD Fraktionsvorsitzender im rheinland-pfälzischen Landtag, die jüngst gebildete GroKo bewertet. Dieser versäumt nicht, die SPD als Volkspartei zu platzieren, „getrieben von Ungerechtigkeit“. „Demokratie wird beschädigt, wenn Menschen das Gefühl haben Leistung werde nicht wertgeschätzt“, erklärt Schweitzer die Folgen der in seinen Augen obszön anmutenden Vermögensverteilung. Und zur Koalitionsverhandlung: „Die drei Hauptziele der CDU – nämlich nix bei der Steuer machen, restriktive Flüchtlingspolitik und Merkel als Kanzlerin – hat sie erreicht und alles andere hat die SPD erreicht.“
Steiner meldet sich erneut zu Wort. Vermögensbesteuerung klinge zwar einfach und logisch, sei es aber nicht. Als Rückgrat der heimischen Wirtschaft, vereinen Familienunternehmen das Thema Risiko und Haftung „volles Rohr“ und dennoch sei das Unternehmerbild sehr schlecht besetzt. „Bei TKKG und Drei ??? war der Unternehmer immer der Arsch.“ Ihre Forderung nach mehr Wertschätzung für das Unternehmertum und die damit verbundene Risikobereitschaft belohnt der Saal mit Applaus. Steiners anschließender Lobgesang auf Unternehmensstiftungen ist dennoch eine unzureichende Antwort auf die Frage woher denn das Geld für die Milliardeninvestitionen ins Bildungssystem genommen werden soll. Riexinger stellt klar, dass es ihm nicht um die Besteuerung kleiner und mittlerer Betriebe gehe, sonder um die der großen und vermögenden und gibt zu bedenken, dass deren Steueraufkommen noch nie so niedrig war. Auch erinnert er an das Prinzip der Solidargesellschaft: Stärkere Schultern müssen mehr tragen als schwächere. Die Angriffslust steigt, denn er stellt klar: „Dieses Prinzip verfolgen weder FDP noch SPD.“
Auf die Besteuerung von Amazon und Starbucks in Deutschland können sich dann aber doch alle einigen. Einen entsprechenden Antrag im Bundestag könne die FDP gerne gemeinsam mit der Linken stellen, erklärt Riexinger. Mit der Aussicht auf diese neuartige Kooperation hat er die Lacher auf seiner Seite, doch die Harmonie ist nur von kurzer Dauer. Deutschland sei eines von zwei Industrieländer ohne Vermögenssteuer, so der Vertreter der Linken. „Man kann ja nicht ernsthaft das Konzept der FDP verfolgen und alle zu Unternehmern zu machen. Von den 2,5 Millionen Solo-Selbstständigen sind viele arm dran.“


Soviel zur Zustandsbeschreibung. Moderator Restle lenkt die Diskussion auf das Thema Durchlässigkeit und konstatiert ein ernüchterndes Bild: Wer arm geboren wird, bleibt es auch. Er will ganz konkret wissen: „Was wollen Sie tun?“
Der Fokus der Debatte liegt nun auf der Chancengleichheit im Bereich Bildung. Steiner möchte Talente und Eliten fördern, Schwache unterstützen, das Kooperationsverbot abschaffen und Ausgaben priorisieren. Schweitzer ergänzt um frühkindliche Betreuung, Ganztagesbetreuung, Mittagessen, Vielfalt im Schulwesen und integrierte Gesamtschulen. Skandinavien wird als leuchtendes Beispiel herangezogen: „Dort lautet die Philosophie, dass kein Kind im Schulsystem verloren gehen darf“, so Riexinger. Daraus abzuleiten sind längeres gemeinsames Lernen, mehr Lehrer und Sozialpädagogen und individuelle Förderung. Moderator Restle bleibt skeptisch: „Viele dieser wohlklingenden Statements höre ich seit 40 Jahren. Wenn so große Einigkeit herrscht, warum hat sich dann (mit Blick auf die Zahlen) so wenig getan?“ Schweitzer kontert: „Sie können nicht erwarten, dass das Bildungssystem funktioniert wie eine Dampfmaschine.“ Er verweist auf erste Ergebnisse in Rheinland-Pfalz.
Endlich ist auch das Publikum an der Reihe den Mund aufzumachen. Es gibt viele Wortmeldungen und wenig Zeit. Die drei ParteienvertreterInnen beziehen knapp Stellung zu unfähigen Lehrern, Überakademisierung und Renten(un)sicherheit, dann beendet Restle die spannende Diskussion und freut sich schon auf das nächste Jahr. Immerhin, so sein Fazit, sei dies das beste Podium um ganz neue Koalitionen anzustoßen.
Und wie sehen das die Zuhörer? Einige sind der Meinung, dass die Themen auch an Real- oder Berufsschulen diskutiert werden sollten und wünschen sich eine Debatte gemäß dem ursprünglichen Wortsinn – mit mehr Streit und nur sparsam eingesetzter Harmonie.
Von Jasmin Eck