von Hanna Singer
Es mag so aussehen, als ob es, zumindest in Deutschland, keine allzu großen Unterschiede mehr dahingehend gibt, wer mit einer Hochschulzugangsberechtigung ein Studium beginnt und wer nicht. Jeder kann studieren!
Prinzipiell mag das so erscheinen. Es gibt jedoch nach wie vor zahlreiche Faktoren, die dazu beitragen, dass vor allem Personen, die nicht aus einem akademischen Haushalt kommen, seltener ein Studium beginnen, als Abiturient*innen, bei denen mindestens ein Elternteil studiert hat. Es herrschen eben doch nicht für jede*n dieselben Voraussetzungen und Startbedingungen.
Wie kann es sein, dass die Studierquoten heutzutage immer noch stark vom elterlichen Bildungshintergrund abhängen?
Laut dem Hochschul-Bildungs-Report 2020 des Stifterverband für Deutsche Wissenschaft stagniert der Anteil der studierenden Nichtakademikerkinder seit 2010 bei ca. 65%, während 79% der Personen aus Akademikerhaushalten ein Studium beginnen. Noch ausdrücklicher zeigen es die Angaben der 20. Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks (DSW): von 100 Akademikerkindern starten demnach 77 in ein Studium, wohingegen es von 100 Nichtakademikerkindern lediglich 23 sind.
Die Non-Profit-Organisation ‚Arbeiterkind.de‘, die sich bundesweit für chancengerechte Bildung einsetzt und Schüler*innen aus Nichtakademikerhaushalten dazu ermutigt, als Erste/ Erster der Familie den Schritt ins Studium zu wagen, sieht dafür verschiedene Gründe als ausschlaggebend an.
Ein Studium erscheint Abiturient*innen aus nicht akademischen Haushalten demnach immer noch nicht als Selbstverständlichkeit. Der Weg ins Studium wird oftmals weniger häufig vorgeschlagen, sei es von Seiten der Familie oder dem Freundeskreis. Man kennt demzufolge auch nur wenige, die ein Studium begonnen haben und die man sich zum Beispiel nehmen könnte. Die Wahl einer Ausbildung ist daher tendenziell naheliegender und man geht lieber „auf Nummer sicher“.
Zu hoch das anscheinende Risiko eines Studiums, in das man, im Gegensatz zu einer Ausbildung, erstmal nur investieren muss. Hierbei spielen finanzielle Gründe eine entscheidende Rolle. Kein eigenes, festes Einkommen zu haben und den Eltern finanziell zur Last zu fallen, eventuell sogar Schulden zu machen, ist für viele Familien schlichtweg nicht zu stemmen. Warum sollte man sein Kind dann überhaupt zur Uni schicken?
Neben diesen sozialen und finanziellen Ursachen sind es jedoch auch andere Ängste, die einen davon abhalten können, diesen Schritt zu gehen. Wir wissen alle, wie kompliziert und teilweise unübersichtlich das Studiensystem und alles, was damit zusammenhängt, ist. Ob von der Uni selbst oder von sonstigen Anträgen auf finanzielle Zuschüsse und Unterstützung, bürokratisch wird von den Studierenden viel abverlangt. Solche Hürden lassen sich leichter bewältigen, wenn man im unmittelbaren (familiären) Umfeld jemanden hat, an den man sich mit diesen Fragen wenden kann und man sich nicht allein durchschlagen muss.
Es kann zudem sein, dass wenn es zum Studienbeginn kommt, sich einige Studierende aus Nichtakademikerhaushalten mit einem Kampf gegen Vorurteile und enormen Druck der Familie konfrontiert sehen. Hinzu kommt vielleicht sogar noch das erschwerende Gefühl, sich beweisen zu müssen. Das Studium ist für alle Studierenden fordernd. Doch gerade für die, die aus familiärem Umfeld keine Unterstützung erhalten können, nochmal mehr. Ist man doch nicht gemacht für das Studium? Zu blöd? Hätte man nicht lieber, wie die Eltern oder viele Freunde eine Ausbildung anfangen sollen? Hat man sich selbst vielleicht überschätzt? Solche Gedanken plagen Nichtakademikerkinder wahrscheinlich häufiger, als andere.
Man muss sich jedoch nicht allein „durchkämpfen“. Arbeiterkind.de schafft bei vielen Anliegen Abhilfe. 6000 Ehrenamtliche engagieren sich im Rahmen der Organisation deutschlandweit, indem sie junge Menschen aus Nichtakademikerhaushalten sowie deren Familien nicht nur über Studieren allgemein, aber auch über Finanzierungsmöglichkeiten informieren und während des gesamten Studienverlaufs begleiten.
Auch bei den Initiativen der Universität Mannheim ist die gemeinnützliche Organisation vertreten.
Natürlich sind die beschriebenen Erfahrungen nicht für alle Studierenden gleich, jedoch darf man nicht vergessen, dass auch in Deutschland chancengerechte Bildung nicht automatisch gegeben und für alle gleichermaßen realisierbar ist.
https://www.arbeiterkind.de/als-erste-studieren
https://www.stifterverband.org/medien/hochschul-bildungs-report-2020-bericht-2019
Equal opportunities in education for children of academics and non-academics in Germany
by Hanna Singer
It may seem that, at least in Germany, there are no longer too many differences in who starts studying at university with a higher education entrance qualification and who does not. Anyone can study at university!
In principle, this may seem to be the case, but there are still numerous factors that contribute to the fact that people who do not come from an academic household are less likely to start a degree programme than those with at least one parent who has an academic background. After all, not everyone has the same prerequisites and starting conditions.
How can it be that today’s study rates are still strongly dependent on parental educational background?
According to the Higher Education Report 2020 of the Donors‘ Association for the Promotion of Sciences and Humanities in Germany (Stifterverband für Deutsche Wissenschaft), the proportion of non-academic children studying has stagnated at around 65% since 2010, while 79% of people from academic households start studying. The data of the 20th Social Survey of the German Student Union (DSW) show it even more explicitly: according to this survey, 77 out of 100 children of academics start studying, whereas only 23 out of 100 children of non-academics do so.
The non-profit organisation ‚Arbeiterkind.de‘, which campaigns nationwide for equal opportunity in education and encourages pupils from non-academic households to be the first in their families to take the step into higher education, sees various reasons for this.
Firstly, university studies still do not seem to be a matter of course for the school-leavers concerned. The path to university is often suggested less frequently, whether by family or friends. As a result, they only know a few people who have started studying and who could be taken as an example. The choice of an apprenticeship therefore tends to be more obvious and seems like a „safe bet“.
The apparent risk of a degree course is too high and, in contrast to an apprenticeship, you only have to invest in it for the time being. Financial reasons play a decisive role here. Not having a fixed income of one’s own and being a financial burden on one’s parents, possibly even incurring debts, which can be the case during a course of study, is simply too much for many families to bear. So why send your child to university at all?
Besides these social and financial reasons, there are also other fears that can hold one back from taking this step. We all know how complicated and sometimes confusing the study system and everything connected with it is. Whether from the university itself or from other applications for financial grants and support, a lot is demanded of students bureaucratically. Such hurdles are easier to overcome if you have someone in your immediate (family) circle to whom you can turn with these questions.
It may also be that when it comes to starting university, some students from non-academic households find themselves battling prejudice and enormous family pressure, and the aggravating feeling of having to prove themselves. Studying is demanding for all students, but even more so for those who cannot get input from their family environment. Is studying not for you after all? Too stupid? Wouldn’t it have been better to start an apprenticeship, like your parents or many of your friends? Have you perhaps overestimated yourself? Such thoughts are more likely to plague non-academic children than others.
However, you don’t have to „fight your way through“ alone. Arbeiterkind.de provides help for many concerns. 6,000 volunteers are involved in the organisation throughout Germany. They inform young people from non-academic households and their families not only about studying in general, but also about financing options and accompany them throughout their studies.
The non-profit organisation is also represented at the initiatives of the University of Mannheim.
Of course, the experiences described are not the same for all students, but it should not be forgotten that also in Germany, equal educational opportunity is not automatically given and equally achievable for everyone.
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